Das vom Institut für Medizinische Lehre (IML) entwickelte Lernprogramm CliniSurf ist so populär, dass die Dozierenden der Universität Tübingen (D) dieses den Studierenden empfehlen. Nun hat ein deutscher Student basierend darauf eine App entwickelt. «Es freut mich sehr, dass unsere Website einen Anstoss gegeben hat, dass Manuel Sigle spontan eine App entwickelt hat», sagt Ulrich Woermann, Bereichsleiter E-Learning des IML.

Android App Herzauskultation

Die App enthält die 65 Herztöne und Herzgeräusche aus CliniSurf. Das Ohr kann nur geschult werden, wenn Töne und Geräusche  – normal oder pathologisch – immer wieder angehört und verglichen werden können. Lerndidaktisch handelt es sich hierbei um das Entwickeln von Mustererkennung (pattern recognition). Dies trifft auch auf Bilder wie Röntgenbilder, Blutausstriche oder EKGs zu. Mit der App kann der Lernende üben, was es zu erkennen gibt und gilt. Zudem liefert das Programm weitergehende Erklärungen. Hier zeigt sich der Wert von elektronischen Lernprogrammen. Als Ergänzung zu textbasierten Lernmitteln wie z. B. Lehrbüchern bieten sie akustische und visuelle Beispiele.

Ein Selbsttest (Quiz) dient der Erfolgskontrolle und dem Lernfortschritt. Das Quiz erlaubt es, Fortschritte im Erkennen von Herztönen und Herzgeräuschen zu überprüfen. So können angehende Ärztinnen und Ärzte ihre Befundgenauigkeit weiterentwickeln.

Studierende erhalten immer weniger die Gelegenheit, an realen Patientinnen und Patienten zu üben. Mit dem CliniSurf-Programm und der App wird eine Brücke angeboten. Damit können Studierende nun unzählige Male mit echten Herztönen üben, bis die Treffsicherheit soweit differenziert ist, um an echten Patientinnen und Patienten Herztöne und Herzgeräusche richtig zu erkennen.

Beispiel: Grafik/Befund 3. Herzton

 «Lernen mit digitalen Medien ist für die jungen Leute heute eine Selbstverständlichkeit. Deshalb melden sich bei uns vermehrt Medizinstudierende, weil sie neue Lernmedien entwickeln wollen», erläutert Woermann. «Solche Ideen unterstützen wir gerne. In Bern besteht für die Studierenden zudem die Möglichkeit, die Produktion von Lernmedien als Masterarbeit und Dissertation umzusetzen.»

Verankerung in der Praxis

Die App verfolgt dieselben didaktischen Ziele wie die Clinisurf Website und bestätigt das E-Learning Konzept des Instituts. Bei den meisten Lernmodulen von CliniSurf steht das Erkennen von visuell oder akustisch erfassbaren Veränderungen im Vordergrund. Deshalb liegt das Schwergewicht auf dem Bild bzw. auf dem Ton. Für die Vertiefung von theoretischem Wissen sind Bücher und Vorlesungen nach wie vor zentral. Das CliniSurf-Programm ist frei verfügbar und gibt es seit 15 Jahren. Aktuell wird das Design überarbeitet.

Die Herzauskultations-App wird im reduzierten Funktionsumfang (Lite Version) oder als Vollversion (kostenpflichtig) bei Google Play angeboten. Dass der Student Manuel Sigle aus eigenem Antrieb die App für mobiles Lernen realisierte, zeigt den Stellenwert von CliniSurf. Nach sorgfältiger Prüfung der Qualität hat das IML deshalb die App übernommen. Die Weiterentwickelung erfolgt durch Herrn Sigle.  

iOS APP Herzauskultation

Basierend auf der oben vorgestellten APP hat Jüri Künzler - Medizinstudierender der Universität Bern - eine iOS Version entwickelt. Diese beinhaltet in der Vollversion ebenfalls alle Auskultationsbefunde.


Fragen an den Entwickler Manuel Sigle

CliniSurf wurde uns Studierenden im 1. klinischen Semester von den Dozenten der Inneren Medizin empfohlen. Ausserdem hatten wir auch eine
mündlich-praktische Prüfung, bei der Herzauskultationsbefunde richtig interpretiert werden mussten. CliniSurf bot dafür die ideale Lern- und Vorbereitungs-
plattform.

An CliniSurf finde ich praktisch, dass hier alle Informationen zur Herzauskultation kompakt an einer Stelle sind – von der Physiologie und Entstehung der Herztöne bis zum tiefgreifenderen klinischen Wissen. Auch die didaktische Aufbereitung ist durchaus gelungen: Da das Erlernen eines Geräusches einer abstrakten Gehörbildung gleichkommt, wurden grafische Veranschaulichungen entwickelt, die es erlauben, Auskultationsbefunde auch langfristig im Gedächtnis speichern zu können.

Heutzutage werden viele Online-Inhalte über das Smartphone abgerufen. Leider fehlt CliniSurf die Anpassung an mobile Endgeräte, sodass die Darstellung auf dem Handybildschirm exakt der auf einem großen Monitor entspricht und konsekutiv für Lesbarkeit viel gezoomt werden muss.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, die Inhalte aus dem CliniSurf Kardiologie in eine App zu packen und durch nützliche Zusatzfunktionen zu ergänzen. So kann jetzt in der Vollversion das Quiz in Endlosschleife gehört werden, und nach jedem Befund sagt eine Stimme den korrekten Befund an. Da sowieso jeder sein Smartphone ständig parat hat, kann somit jederzeit und zu jedem Ort gelernt und geübt werden.

Es gibt bereits einige Apps zur Herzauskultation, aber keine kommt an den Umfang von 65 Auskultations-befunden heran. Auch die didaktische Aufbereitung anderer Apps lässt zu wünschen übrig. Die App des IML enthält zudem im Gegensatz zur „Konkurrenz“ nützliche Zusatzfunktionen, wie das oben beschrieben Auskultationsquiz und die Funktion, Befunde zu vergleichen. Ein weiterer Vorteil der App ist die Bequemlichkeit der Bedienung und die Tatsache, dass sie komplett offline funktioniert.