Nach 2016 und 2017 hat das Institut für Medizinische Lehre (IML) 2018 zum dritten Mal in Folge den Award der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) für interprofessionelle Lehre erhalten. Die Projekte waren alles Kooperationsprojekte mit Universitätskliniken und Bildungsinstitutionen (Übersicht siehe Kasten). Interprofessionelle Ausbildung bedeutet, dass Studierende der Medizinal- und der Gesund-
heitsberufe gemeinsam erarbeiten, wie z. B. die weitere Behandlung einer Patientin/eines Patienten aussehen könnte. Wie kann dieser Ansatz in die Ausbildung einfliessen?
Interprofessionalität ist einer der Ansätze, um den Herausforderungen der Zukunft wie z. B. gesellschaftlicher Wandel oder Mangel an Fachpersonen begegnen zu können. Studien zeigen, dass dadurch die Qualität der Versorgung optimiert und die wirtschaftliche Effizienz gesteigert werden kann. Einhergehend mit einer Klärung und Neudefinition der Berufsrollen und –profile aller beteiligten Berufsgruppen.
Interprofessionelle Ausbildung/interprofessionelle Zusammenarbeit
Interprofessionalität (IP) basiert laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf zwei komplementären Ansätzen:
Einerseits auf interprofessioneller Ausbildung (Interprofessional Education, IPE), die zum Ziel hat, Lernende «Collaborative Practice-ready» zu machen, andererseits auf der eigentlichen interprofessionellen Zusammenarbeit (interprofessional Collaboration, IPC). Erstere stellt eine unabdingbare Voraussetzung für letztere dar.
Die WHO definiert IPE folgendermassen: «Interprofessional education occurs when students from two or more professions learn about, from and with each other to enable effective collaboration and improve health outcomes»[1]
Akteure und Handlungsstränge
Verschiedene Akteure erachten Interprofessionalität als ein prioritäres Thema. So engagieren sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) als auch die WHO für eine stärkere Kooperation zwischen den Gesundheitsberufen. Zahlreiche Studien belegen, dass das Wissen über die anderen Berufsgruppen und deren Rollen und Kompetenzen zu einer besseren Zusammenarbeit und somit zu einer besseren PatientInnenbetreuung führen. Darüber hinaus nimmt die Berufszufriedenheit aller Beteiligten zu.[2]
«Es wird vieles als IPE bezeichnet, das die Kriterien dafür nicht wirklich erfüllt», erläutert Ulrich Woermann (IML), der eines der ersten interprofessionellen Projekte an der Medizinischen Fakultät umsetzte. «Entscheidend ist nicht das gemeinsame Lernen allein, sondern das gemeinsame Erlernen der Zusammenarbeit im interprofessionellen Team. Genau das wird aber noch zu wenig praktiziert.»
Während in vielen Ländern (wie Skandinavien, England) die interprofessionelle Ausbildung ein fester Bestandteil im Lehrplan ist, werden in der Schweiz solche Veranstaltungen im Unterricht nur an wenigen
Orten umgesetzt.
Aktueller Stand: medizinische Hochschullandschaft in der Schweiz
Die medizinischen Fakultäten in der Schweiz sind unterschiedlich weit beim Aufbau von interprofessionellen Angeboten und Strukturen. Vorreiterinnen in Bezug auf interprofessionelle Lehre in der medizinischen Ausbildung sind die Universitäten Genf mit dem Centre interprofessionelle de simulation CIS und Zürich mit der Interprofessionelle Ausbildungsstation ZIPAS, die im Herbst 2019 ihren Betrieb aufnehmen wird. Die Medizinische Fakultät Bern und das Berner Bildungszentrums Pflege organisierten erstmals im Studienjahr 2011/2012 ein Wahlpraktikum mit Studierenden der Medizin und der Pflege in Form von 2 Halbtagen im 1. + 3. Semester. Angehende Ärzte und Pflegefachpersonen erhalten Einblick in die Ausbildung sowie in die Berufswelt der anderen. Weitere interprofessionelle Lehrveranstaltungen sind das Seminar Schweigepflicht in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule Gesundheit BFH und dem IML sowie der Injektionskurs im ersten Studienjahr, bei dem sowohl die Lerngruppen als auch das Team der Peertutoren interprofessionell zusammengesetzt sind.
Der Schweizerische Akkreditierungsrat (AAQ) hat am 7. Dezember 2018 die Bachelor- und Masterstudien-
gänge in der Human- und der Zahnmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Bern für sieben Jahre ohne Auflagen akkreditiert.
Den Standard 1.03f «den Kompetenzen anderer anerkannter Gesundheitsberufe Rechnung zu tragen» beurteilte die Gutachtergruppe als erfüllt. Sie empfiehlt den weiteren Ausbau interprofessioneller Ausbildungsmodule, wie z. B. die Patientenvisite im Masterstudiengang.
Die Medizinische Fakultät Bern nimmt zu dieser Empfehlung wie folgt Stellung: »Die Fakultät wird (…) den eingeschlagenen Weg der vermehrten Vermittlung interprofessioneller Kompetenzen dezidiert weitergehen. So soll die bestehende gute Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Medizinische Lehre und der Berner Fachhochschule und dem Berner Bildungszentrum Pflege weiter ausgebaut werden, zum Beispiel im Rahmen mehrerer fakultativer interprofessioneller Kurse.»
Fazit
Interprofessionalität unterstützt künftige Gesundheitsfachpersonen dabei, sich für die erhöhten Anforderungen im Gesundheitssystem fit zu machen. Die WHO bringt es auf den Punkt: “It is no longer enough for health workers to be professional. In the current global climate, health workers also need to be interprofessional.”[3] Dies bedingt organisatorische und politische Strukturen, Ressourcen sowie Konzepte, um die engere Zusammenarbeit der Berufe in Theorie und Praxis zu gewährleisten. Ein besseres Zusammenspiel aller beteiligten Berufsgruppen im Gesundheitssystem kommt letztlich den Patientinnen und Patienten zugute[4].
Die Themengruppe «Interprofessionalität» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) kam bereits 2013 zum Schluss: «Damit die therapeutischen Prozesse zum Wohle der Patientinnen und Patienten optimiert, Fehler vermieden und der Mangel an Gesundheitsfachkräften durch eine effiziente Zusammenarbeit abgemildert werden können, müssen die verschiedenen Berufsgruppen rechtzeitig beginnen, ihre eigene Rolle, ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie diejenigen der anderen Berufsgruppen explizit zu reflektieren.»[5] Das IML ist bestrebt, diesen Ansatz in die medizinische Ausbildung einfliessen zu lassen.
Anmerkungen
[1] Framework for Action on Interprofessional Education & Collaborative Practice, World Health Organization, 2010
[2] GMS Journal for Medical Education; Positionspapier GMA Ausschuss – Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen, 13.Mai 2015
[3] Framework for Action on Interprofessional Education & Collaborative Practice, WHO, 2010
[4] GMS Journal for Medical Education, Positionspapier GMA-Ausschuss – Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen», 13.Mai 2015
[5] Bericht der Themengruppe «Interprofessionalität», Bundesamt für Gesundheit BAG, 2016